Rhein-Ahr-Marsch
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Kann man 100 km in 24 Stunden zu Fuß bewältigen? Als Wanderer in einem hügeligen Gelände? Durch die Nacht und den folgenden Tag? Man kann!
Ich habe diese Herausforderung zum zweiten Mal angenommen und bin am Wochenende 06./07.07. beim Rhein-Ahr-Marsch dabei gewesen. Start war am Freitag um 20:00 Uhr in Rheinbach, einer Kleinstadt in der Vordereifel. Mit mir zusammen gehen etwa 580 weitere Wanderinnen und Wanderer die Herausforderung an. Bis zum Zielschluss 24 Stunden später werden ca. 380 Teilnehmer die Strecke absolviert haben.
An einem sehr angenehmen Sommerabend gehen wir also in Rheinbach los. Durch die Obstplantagen auf der Grafschaft (so heißt dieser Landstrich im Rhein-Sieg-Kreis westlich von Bonn) geht es bei untergehender Sonne in Richtung Kottenforst, dem großen Naherholungsgebiet von Bonn.
Bild: Sonnenuntergang über der Grafschaft
Auf der Strecke im Wald wird es dann langsam dunkel, so dass es Zeit wird, die Stirnlampen aufzusetzen. So eine Wanderschar mit Lampen dahin ziehen zu sehen, ist immer wieder ein schöner Anblick J.
Nach dem die ersten Verpflegungsstellen passiert wurden, erreichen wir dann die Bundesstadt Bonn. Durch die nächtlichen Stadtteile Friesdorf, Bad Godesberg und Plittersdorf kommen wir nach rund 32km an den Rhein, der uns nun bis Remagen ein Begleiter ist. Gegenüber auf der östlichen Rheinseite liegt das Siebengebirge. Der beleuchtete Hotelkomplex auf dem Petersberg ist zu erkennen und ebenfalls der angestrahlte Drachenfels. Und oben drüber der Mond. Etwas später die Silhouette von Königswinter.
Bild: Blick über den Rhein nach Königswinter mit Drachenfels und Mond
So geht es auf dem Rheinuferweg immer weiter bis gegen 04:30 Uhr dann langsam die Dämmerung einsetzt. Der Vorteil bei einer Wanderung im Sommer – da ist die psychisch belastende Nacht nicht so lang wie im Frühjahr oder Herbst. Die Kehrseite, nämlich die lange Sonnenscheindauer und die damit verbundenen hohen Temperaturen, bekommen wir später im Ahrtal allerdings auch zu spüren.
Bild: Der Tag kündigt sich langsam wieder an
In Remagen ist dann die halbe Strecke absolviert und der Abschied vom Rhein naht. Ich war nun 10 Stunden unterwegs. Zeit für eine etwas längere Pause von einer guten halben Stunde.
Bild: 50 km sind gewandert in guten 10 Stunden. Die Nacht ist vorbei.
Ab Remagen schwenkt der Weg ins Ahrtal Richtung Lohrsdorf, Bad Neuenahr, Walporzheim, Mayschoss und Altenahr.
Teils auf Waldpfaden, teils durch die Ortschaften und stellenweise durch die Weinberge führt uns der Weg. Schatten ist hier eher Mangelware. Und da es an diesem Tag auch kaum Wolken gibt, heißt es in der Sonne marschieren und schwitzen. Ich schätze mal, dass während der 100 km ca. 10 Liter Wasser und Kaffee den Weg durch meinen Körper gefunden haben.
In Walporzheim ist die Verpflegungsstation an der Weinmanufaktur. Hier haben wir die Möglichkeit, den Weinkeller zu besichtigen. Eine willkommene Abkühlung. In der Winzerstube gibt es dann u.a. Rotweinkuchen – sehr lecker! Knappe 70 km sind nun geschafft.
Bild: Im Weinkeller von Walporzheim
Von Altenahr, 82 km Wegstrecke liegen hinter einem, geht es dann aus dem Ahrtal hinaus – auf den Höhenzug. D.h. es müssen ca. 250 Höhenmeter auf einem sonnendurchfluteten Weg durch die Weinberge überwunden werden. Auf jeden Fall eine Herausforderung. Danach kommen dann endlich die ersehnten Waldpassagen.
Ab km 90 ist dann jeder Kilometer beschildert (bis hier nur jeder zehnte). Und so geht es durch Wald und Felder wieder zurück nach Rheinbach. Nach rund 21 Stunden (also Samstag gegen 17:00 Uhr) komme ich wieder am Start/Ziel Bereich in Rheinbach an.
Glücklich, es bei den Temperaturen geschafft zu haben und auch erschöpft. 100 km sind kein Spaziergang.
Etwa drei Stunden später, nach einer ausgiebigen Dusche und etwas Nahrungsaufnahme, werde ich dann müde ins Bett fallen und zwölf Stunden Schlaf finden.
Die Veranstaltung ist rundum gut organisiert. Mit 14 Verpflegungsstationen ist für ausreichend Getränke- und Essensnachschub auf der Tour gesorgt. Die Beschilderung ist perfekt, sogar mit leuchtenden Schildern auf der Nachtstrecke. Verlaufen ist hier nahezu ausgeschlossen. Und die vielen Helfer an der Strecke, sei es an den Verpflegungspunkten oder beim Queren von Landstraßen, strahlen zu jeder Zeit Optimismus aus. Eine gelungene Veranstaltung, die hoffentlich weiter geführt wird.
Einziger Wermutstropfen waren die teilweise sehr grob geschotterten Feld- und Wirtschaftswege. Selbst durch die kräftigen Sohlen der Wanderschuhe waren hier die Steine zu spüren. Die Wanderer, die mit Laufschuhen unterwegs waren, dürften die Steine noch mehr gemerkt haben.
Der Anteil Asphaltstrecken war zwar auch nicht unerheblich, das ist aus meiner Sicht für so eine Veranstaltung aber nicht abträglich. Gerade in der Nacht sind ebene Wege nichts schlechtes.
Was sollte man mitbringen, um eine 100 km Wanderung erfolgreich absolvieren zu können? Zunächst natürlich eine gute Grundlagenausdauer. Bei mir stehen hier gute 30 Jahre Lauftraining als Basis. Und meine Empfehlung ist, sich langsam heranzutasten. Ich bin vor meinem ersten 100er auf (geführten) 24-Stunden Wanderungen unterwegs gewesen. Da bekommt man ein Gefühl dafür wie es ist, einen ganzen Rhythmus aus Tag und Nacht unterwegs zu sein. Bei so einer Tour werden i.d.R. zwischen 70 und 78 km zurückgelegt. Nach einer solchen 24-h-Wanderung sollte man sich also noch nicht völlig platt fühlen. Der 100er ist noch mal ein Drittel mehr Strecke.
Eine Garantie, dass man die Strecke durchhält gibt es aber nicht. Die Finisherquoten sprechen hier für sich. Beim Rhein-Ahr-Marsch haben etwa 60 % der Starter das Ziel innerhalb von 24-Stunden erreicht. Ein Top-Wert. Bei der Megamarsch Reihe liegen die Zahlen meist unter 30 %.
Bericht von Michael Kurmies